Vergebung ist ein tiefes und komplexes Thema, das ein kraftvolles Mittel zur persönlichen Heilung und zum inneren Frieden sein kann. Doch was genau bedeutet Vergebung, und wie können wir lernen, zu vergeben?
Am Ende des Artikels findest Du eine Buchempfehlung und den Link zu unserer Podcastfolge, in der wir uns diesem Thema gewidmet haben.
Vergebung bedeutet, die ‘negativen' Gefühle und Einstellungen gegenüber einer Person zu überwinden, von der man emotional und/oder körperlich verletzt wurde.
Es bedeutet nicht, diese Verletzung(en) zu vergessen, zu verdrängen oder zu entschuldigen, sondern vielmehr, uns selbst von der Last der ‘negativen’ Emotionen zu befreien, d.h., diese zu verarbeiten und hinter sich zu lassen. Man könnte Vergebung als einen Prozess der Befreiung bezeichnen, der uns hilft, emotionale und geistige Freiheit zu erlangen und somit Frieden mit der Vergangenheit zu schließen und offen für die Zukunft zu sein.
Sich selbst und anderen zu vergeben/zu verzeihen (oft synonym verwendet), ist eines der größten Geschenke, die wir uns selbst machen können und hat etwas mit Selbstermächtigung und Freiheit zu tun. In diesem Prozess können wir die Ohnmacht, Wut, Scham u.a. Emotionen hinter uns lassen und aus dem Schatten der Vergangenheit treten und wieder mehr mit der Gegenwart verbunden sein.
Vorteile der Vergebung
Studien der Virginia Commonwealth, der Harvard Universität und von einem südkoreanisch-amerikanischen Forschungsteam haben gezeigt, dass Vergebung erhebliche Vorteile für die psychische Gesundheit hat. Menschen, die vergeben, berichten oft von weniger Stress, Angst und Depressionen. Vergebung kann auch zu einem besseren Selbstwertgefühl und mehr Zufriedenheit im Leben führen. Indem wir vergeben, können wir uns von ‘negativen’ Emotionen lösen, die uns innerlich aufzehren.
Der Prozess der Vergebung
Vergebung ist oft ein schwieriger und schmerzhafter Prozess, der Zeit, Geduld, einen Funken Mut und innere Entschlossenheit erfordert. Die Art des Weges und das Tempo, in dem Du gehst, bestimmst Du dabei selbst.
Eine Möglichkeit ist das hawaiianische Vergebungsritual ‘Ho’oponopono'. Es bedeutet soviel wie ‘in Ordnung bringen’ und ist ein traditionelles Verfahren der Hawaiianer zur Aussöhnung und Vergebung. Über diesen Link kannst Du Dich näher zu dieser Methode informieren: https://www.kahilomi.com/hooponopono-anleitung-das-hawaiianische-vergebungsritual/
Wer die innere Bereitschaft hat, zu vergeben, stellt sich dem Vergangenen und geht dahin zurück, wo der Schmerz ist. Hier sind einige Schritte, die Dich dabei unterstützen können, diesen (Deinen) Weg zu gehen:
Erkennen und Akzeptieren des Schmerzes: Der erste Schritt zur Vergebung besteht darin, den Schmerz, das Unrecht und die Verletzung anzuerkennen. Es ist wichtig, sich selbst zu erlauben, die ‘negativen’ Emotionen zu fühlen und zu verstehen, warum Du verletzt bist. Sieh Dich mit all Deinen Emotionen, körperlichen Reaktionen und Gedanken, denn sie sind (waren) in dem Moment und über die Zeit ein Teil von Dir - ‘Es war so, wie es war und es ist so, wie es ist!’
Sich mit diesem Schmerz selbst zu sehen, ihn so sein zu lassen und anzuerkennen ist eine wichtige Basis für die kommenden Schritte. Gib Dir die Zeit, die Du dafür brauchst und es kann sein, dass Du im Laufe der Vergebung immer mal wieder zu diesem Schritt zurückkehren musst, um weiterzukommen.
Wenn Du dabei merkst, dass Du für diesen Prozess Unterstützung brauchst, dann nutze die Begleitung bspw. durch eine*n Therapeut*in oder Coach*in.
Verständnis entwickeln: Versuche, die Perspektive der Person, die Dir Unrecht getan hat, zu verstehen. Was hat sie dazu gebracht, so zu handeln?
Es geht nicht darum, das Geschehene zu entschuldigen, sondern zu verstehen, was diesen Menschen dazu gebracht hat, dies zu tun.
Dieses Verständnis kann helfen, den Groll zu mindern und es kann gegebenenfalls auch erst nach bzw. mit der Selbstvergebung möglich sein.
Selbstvergebung: Ich finde es immer wichtig, sich als erstes selbst zu vergeben. Wir sind oft die schärfsten Kritiker unserer eigenen Fehler und Schwächen. Sich selbst zu vergeben, ist m.E. ein essentieller Teil des Heilungsprozesses und stärkt die Verbindung zu sich selbst.
Hinter sich lassen und Raum schaffen: Vergebung bedeutet, einen Raum zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zu schaffen - die Gefühle hinter sich zu lassen, die mit dem verletzenden Ereignis zu tun hatten und die Aufmerksamkeit wieder auf die Gegenwart zu richten, um offen für die Zukunft zu sein.
Vergeben, aber nicht vergessen: Es ist wichtig zu verstehen, dass Vergebung nicht bedeutet, das Unrecht zu vergessen, sondern damit Frieden zu schließen. Denn diese Verletzung bleibt immer ein Teil der eigenen Lebensgeschichte und Du entscheidest, wie Dein Umgang damit ist.
Durch die Verletzungen hat unsere Lebensschale Risse bekommen, die jeder auf seine einzigartige Weise wieder heilen kann. In Japan gibt es eine traditionelle Reparaturmethode für Gegenstände aus Keramik - Kintsugi oder Kintsukuroi genannt. Es ist eine Mischung aus Handwerkskunst und Philosophie, bei der die Klebestellen von zusammengefügten Scherben mit silbernen und/oder goldenen Linien hervorgehoben werden. Für mich stellen die goldenen Klebelinien die Erfahrung dar, die dadurch gewonnen wurde und die Stärke und der Wert, die daraus entstehen kann.
Denn das Geniale mit dieser bewussten Auseinandersetzung ist, dass Du an Lebenserfahrung gewonnen hast und damit vielleicht gelernt hast, dass Du Dich dadurch besser abgrenzen kannst, anders handelst, andere Menschen mit gleichen oder ähnlichen Erfahrungen gut unterstützen kannst, Dich das Vergeben zufriedener macht, u.v.m.
Vergebung ist ein mächtiges Werkzeug zur Heilung und zum inneren Frieden. Sie ermöglicht es uns, negative Emotionen loszulassen und Raum für Liebe, Mitgefühl und Freude zu schaffen. Vergebung ist nicht nur ein Akt der Güte gegenüber anderen, sondern auch ein Akt der Selbstliebe und des Mitgefühls gegenüber uns selbst. Während der Prozess der Vergebung oft schwierig ist, sind die Belohnungen, die er mit sich bringt, von unschätzbarem Wert.
Sie ist ein Weg, um Frieden in unser Leben zu bringen und die Beziehung zu uns selbst und zu den Menschen um uns herum zu stärken.
Zu diesem Thema habe ich noch eine Buchempfehlung: Melanie Wolfers “Die Kraft der Vergebung”: https://www.herder.de/leben/shop/p6/49523-die-kraft-des-vergebens-kartonierte-ausgabe/
Und ich habe zusammen mit meinem Kollegen Moritz Küffner eine Podcastfolge dazu gemacht:
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